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Der Umgang mit Sowjet-Symbolen.

Konflikte um Deutung der Vergangenheit

Mit dem Projekt soll eine kritische und reflektierte Auseinandersetzung mit der Deutung der sowjetischen Vergangenheit und dem Umgang mit sowjetischen Symbolen angestoßen werden.

Ausgangslage und Zielsetzung

Umbenennen, umgestalten oder abreißen? Was geschieht in der Ukraine, der Republik Moldau und Georgien mit Denkmälern und Symbolen der Sowjetzeit? Wie wird die Vergangenheit aufgearbeitet? In welchem Zusammenhang stehen Aufarbeitung und Demokratisierung?

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Politisch-historische Symbole, ob Straßennamen oder Denkmäler, drücken eine Wertordnung aus.  Die Debatte darüber, wie mit sowjetischen Denkmälern umgegangen werden soll, ist in Ländern der östlichen Partnerschaft aktueller denn je.  Es geht um Täter und Opfer von Diktaturen, um Schuld und Unschuld, es geht um die Frage, ob und wie eine Verständigung über Vergangenheit, Werte und gemeinsame Identität möglich sein kann. Diese Auseinandersetzung über die sowjetische Vergangenheit fällt von Region zu Region und von Land zu Land unterschiedlich aus.  Während in Georgien Anfang der 90er-Jahre alle Lenindenkmäler entfernt wurden und 2011 das georgische Parlament durch Verabschiedung der Freiheitscharta die sowjetischen und faschistischen Symbole verboten hat, begannen in der Ukraine die großen Veränderungen viel später. Laut den Entkommunisierungsgesetzen, die vom ukrainischen Parlament im Jahre 2015 verabschiedet wurden, ist eine öffentliche Leugnung des verbrecherischen Charakters des NS-Regimes und der kommunistischen Herrschaft strafbar. Infolge dieser Gesetze wurden Straßen und Orte umbenannt, verschwanden Denkmäler von Lenin und sowjetischen Politikern, die für Deportationen, den Holodomor und andere Verbrechen verantwortlich waren. Allein im Jahre 2016 wurden 1320 Lenindenkmäler abgerissen.

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Unter unterschiedlichen Ausgangsbedingungen entstanden in der Republik Moldau, Ukraine und Georgien neue Gedenkstätten und Denkmäler als Erinnerungsorte, die das von der eigenen Nation erfahrene Leid unter sowjetischer Herrschaft visualisieren.

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Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine hat den Prozess der Entkommunisierung und Entrussifizierung beschleunigt. Die Beispiele sind hier vielfältig. Im April 2022 wurde ein riesiges Denkmal aus der Sowjetzeit in Kiew abgerissen. Dieses Denkmal stand vierzig Jahre für die ukrainische-russische Freundschaft im Zentrum von Kiew. Der „Bogen der Völkerfreundschaft“ wurde in „Freiheitsbogen des ukrainischen Volkes“ unbenannt. An der beeindruckenden und bekannteste Mutter-Heimat-Statue in Kiew, mit einer Höhe von 102 Metern die höchste Statue Europas, wurden Anfang August 2023 die sowjetischen Symbole entfernt und durch das ukrainische Staatswappen ersetzt. Die Werchowna Rada in Kiew verabschiedete mehrere Gesetze im Jahre 2023 und läutete damit eine Phase ein, in der zahlreiche russische Denkmäler (Puschkin Denkmäler und für andere russische Persönlichkeiten) im ganzen Land entfernt wurden. Straßen und Plätze mit russischem oder sowjetischem Bezug wurden und werden weiter umbenannt.

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Ein anderer Umgang mit heute ungeliebten Denkmälern ist in der Republik Moldau zu beobachten. Es gab und gibt keine systematische politische Initiative zur Beseitigung von Denkmälern der Sowjetzeit. Zwar hatte am 25. August 1991 das Präsidium des Parlaments der Republik Moldau beschlossen, dass ein Teil der Denkmäler aus der Sowjetzeit demontiert bzw. an andere Orte gebracht werden sollte, jedoch wurde der Eindruck eines politisch motivierten Denkmalsturzes bzw. gezieltem Abbau vermieden. In den 1990-er Jahren kam es zu einer spontanen und chaotischen Welle der Beseitigung der sowjetischen Denkmäler. Das Lenindenkmal in ChiÅŸinău verschwand nur kurze Zeit vor der Unabhängigkeitserklärung unter dem Vorwand, dem Platz der Großen Nationalversammlung wieder das „natürliche Aussehen von einst“ zu verleihen. Bevor das Lenindenkmal an den Stadtrand verbannt wurde, war in ChiÅŸinău das Denkmal der „Kapitolinischen Wölfin“ im Jahre 1990 vor dem Nationalen Historischen Museum errichtet worden. Dieses Ereignis bedeutete mehr als es zunächst schien. Es wurde damit nicht nur die Kopie eines verlorenen Denkmals erneut aufgestellt, sondern auch versucht, die Zugehörigkeit zur Romania symbolisch wiederherzustellen und sich vom russischen Raum zu distanzieren. Heute werden viele sowjetische Denkmäler in der Republik Moldau oft beschmiert und vandalisiert, sie werden aber nicht abgerissen, sondern an einem anderen Ort versetzt oder umgestaltet. Die ursprüngliche Inschrift „Für die Helden der Sowjetunion“ wird an vielen Denkmälern in „Für alle Gefallenen des Zweiten Weltkriegs“ oder „Für die gefallenen Dorfbewohner“ geändert. Der Umgang mit Denkmälern, ob Neuerrichtung, Abriss oder Veränderung, verweist somit stets auf (erinnerungs-)kulturelle Kontexte, Gefühlslagen, Generationenempfindungen und politische Konflikte.

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Mit dem Projekt soll eine kritische und reflektierte Auseinandersetzung mit der Deutung der sowjetischen Vergangenheit und dem Umgang mit sowjetischen Symbolen angestoßen werden. Der Ansatz bietet Dozenten und Lehrkräften aus der Republik Moldau, der Ukraine und Georgien die Möglichkeit, einen differenzierten Blick auf aktuelle Erinnerungskulturen und historische Aufarbeitung der Vergangenheit zu werfen. Es wird das Ziel verfolgt, die gegenseitigen Positionen und Herangehensweisen an die jüngere Geschichte besser kennen und verstehen zu lernen sowie längerfristige Kooperationen in die Wege zu leiten und zu vertiefen, um eine ausgewogene Betrachtung historischer Geschehnisse zu ermöglichen und zu fördern.

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01.01. -

31.12.2024

Chişinău
Republik Moldau

Projektleitung

vasile.webp

Dr. Vasile Dumbrava

Gefördert durch

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